Produktbeschreibung
Eine meisterhafte Dreiecksgeschichte über Liebe und Verrat
Der französische Philosoph Buridan berichtete einst von einem Esel, der zwischen zwei Heuhaufen verhungert ist: Er konnte sich nicht entscheiden, welchen von beiden er fressen will. Günter de Bruyn erzählt von einem Mann zwischen zwei Frauen: Der Mann weiß, dass er sich entscheiden muss, bevor er beide verliert.
Zusammenfassung
Karl Erp, ein Mann um die Vierzig, ist ein wohlsituierter Mann, er hat eine
zärtliche Frau und nette Kinder, er hat einen Beruf, der ihn ausfüllt, und ein
schönes Haus. Man könnte annehmen, er sei glücklich. Aber »drei Jahre zuvor war er (morgens) immer nackt und frierend zu Elisabeth geschlichen und
hatte sie streichelnd ... wachgeredet«. Heute sitzt er statt dessen allein und
bücherblätternd am Frühstückstisch. Der Antrieb zur Liebe und zum spontanen Lebendigen ist im Laufe der Ehe verlorengegangen. In der unverhofften Liebe zu einer neuen Mitarbeiterin, dem schönen und kühlen Fräulein
Broder, scheint sich die Möglichkeit einer Erneuerung seines Lebens abzuzeichnen, doch er besteht die Proben dieser Liebe aus Skrupeln und eingefahrener Schwäche nicht. Sein vorgeschobenes moralisches Verhalten ist Ausdruck seines Versagens. Er
zurück.
Dieser sensibel und einfühlsam geschriebene Liebesroman enthüllt eine
alte menschliche Tragik - die Unmöglichkeit, schicksalhafte Verstrickungen
zum Glück hin zu lösen.
Leseprobe
Angefangen hat es so: Karl Erp lächelte beim Erwachen und
wußte nicht, warum. An einem Traum entsann er sich nicht.
Erst später, nicht viel später, aber doch erst danach,
fiel ihm Fräulein Broder ein. Sagen wir lieber: Nachträglich
schien ihm, daß er an jenem Morgen lächend erwacht
sei. (Und so erzählt er es Fräulein Broder auch : "Es
war seltsam, weißt du. Ich spürte deutlich meine zum
Lächeln verzogenen Lippen, und erst Augenblicke später
war dein Bild da. Ja, so hat es bei mit angefangen"!) Er
glaubt heute wohl selbst an diese Version, weiß nicht mehr,
daß ihn an diesem Morgen, wie an jedem sonst, der Wecker
aus tiefem Schlaf riß, daß er den üblichen Morgenschwur
vom frühen Schlafengehen tat, den Tagesplan nach unangehnemen
Punkten absuchte, daß die Frage, ob er sich zu Hause oder
in der Bibliothek rasieren sollte, zum Problem wurde und ihm erst
beim Griff der bettwarmen Hand zum kalten Kinn sein relativ geringer
Unmut auffiel, der ihn zum mißtrauischen Forschen nach Ursachen
und endlich zum erwähnten Mundverziehen veranlaßt,
bis ihm (nach Sekunden schon) klar wurde, wie idiotisch es ist,
wenn ein vierzigjähriger Mann am dunklen Morgen im Bett vor
sich hin grinst, worauf seine Mundwinkel in die Ausgangstellung
zurückgezogen wurden und mit dem Normalgesicht der Zwang
zur Einhaltung des Normalmorgenplans wieder da war: halbwache
fünf Minuten im Bett, mit einer Andeutung von Schwung aufstehen,
ohne Licht zu machen, das Fenster öffnen, Pyjama ausziehen,
mit ausgestreckten Armen zehn Kniebeugen machen, dabei aus dem
Fenster sehen! Auf die Apfelbäume, die ihre Skelette in das
Morgengrau reckten, in dem Bodennebel, der ihm den Blick auf die
Spree nahm und auf das Haus gegenüber und den angelnden Greis
mit Pelzmütze, den er für einen emeritierten Professor
hielt.
Autoreninfo
Günter de Bruyn
wurde 1926 in Berlin geboren. Nach dem Krieg war er
Lehrer und anschließend Bibliothekar. Seit 1961 lebt er als freier Schriftsteller in Berlin und in der Nähe von Frankfurt/Oder. Er wurde unter anderem
mit dem Heinrich-Mann-Preis, dem Thomas-Mann-Preis, dem Heinrich-Böll-Preis und dem Großen Literaturpreis der Bayerischen Akademie der
Schönen Künste ausgezeichnet.
Veröffentlichungen im Fischer Taschenbuch Verlag:
»Märkische Forschungen« (Bd. 5059), »Neue Herrlichkeit« (Bd. 5994),
»Tristan und Isolde« (Bd. 8275), »Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter« (Bd. 10973), »Babylon« (Bd. 11334), »Preisverleihung« (Bd. 11660), »Zwischenbilanz« (Bd. 11967), »Jubelschreie, Trauerges&a
Reihe Informationen und Materialien zur Literatur erschien »Günter de
Bruyn. Materialien zu Leben und Werk« hg. von Uwe Wittstock (Bd. 1096).
Bei S. Fischer veröffentlichte de Bruyn 1993 »Mein Brandenburg«; mit
Fotos von Barbara Klemm.