Produktbeschreibung
Unter dem Eindruck der sinnlichen Welt des Orients findet Flaubert im Tagebuch seiner Reise nach Ägypten und Palästina zur ästhetischen Intensität seiner großen Romanwerke.
Zusammenfassung
Gustave Flaubert,
geboren am 13. Dezember 1821 in Rouen, ist
am 8. Mai 1880 in Croisset bei Rouen gestorben.
Den Notizen des jungen Gustave Flaubert von jener abenteuerlichen Reise, die ihn von Oktober 1849 bis Juni 1851 zusammen
mit dem Journalisten Maxime Du Camp bis nach Nubien, Damaskus und Konstantinopel führte, kommt eine herausragende
Bedeutung für die Ausprägung einer Ästhetik der Moderne zu.
Belegen sie einerseits das durch Napoleons Ägyptenfeldzug ausgelöste wissenschaftliche Interesse an den frühen Hochkulturen
des Nillandes, so betreiben sie andererseits die Ausstattung des
Orients zum mythischen Schauplatz aller verlockenden, archaischen bzw. »barbarischen« Andersartigkeit, deren Verbannung
aus dem Leben der industrialisierten Gesellschaften Europas
Kunst und Literatur zunehmend beklagen.
Dieses neben Nervals Reisebildern unmittelbarste und ausführlichste Dokument der Orient-Wahrnehmung durch die französische Literatur des 19. Jahrhunderts besticht durch seine
illusionslose Aufzeichnung jener sinnlichen Extreme, die in den
großen Romanen Salammbô und Die Versuchung des heiligen Antonius zu höchster poetischer Dichte ausgestaltet werden.
Die in den vorliegenden Band aufgenommenen Fotografien
Maxime Du Camps von dieser Reise veranschaulichen als frühe
Meisterleistungen des neuen Mediums einen inzwischen unwiederbringlichen Zustand der Tempelruinen und Landschaften des
Vorderen Orients.
Leseprobe
ABREISE
Geschrieben nach der Rückkehr, in Anlehnung an die Reisenotizen
Ich bin am Montag, den 22. Oktober 1849 aus Croisset abgefahren.
Unter den Leuten des Hauses, die mir bei der Abfahrt Lebewohl
sagten, war Boissière, der Gärtner, der einzige, wie
mir schien, der wirklich bewegt war. Mir selbst war es zwei Abende
zuvor so ergangen, samstags, als ich meine Schreibfedern wegräumte
(die, mit der ich hier schreibe, war auch dabei) und meine Schränke
schloß. Das Wetter war weder schön noch schlecht. Meine
Schwägerin kam mit ihrer Tochter zur Eisenbahn mir Lebewohl
sagen. Bouilhet war auch da, ebenso der junge Louis Bellangé,
der während meiner Reise gestorben ist. Im selben Waggon
wie wir, mir gegenüber, saß das Dienstmädchen
des Herrn Präfekten des Departements Seine-Inférieure,
eine kleine Schwarze mit Kraushaar.
Am Tage darauf dinierten wir bei Monsieur Cloquet. Leserrec war
schon dort. Meine Mutter war während der ganzen Zeit des
Diners traurig. Abends traf ich mich wieder mit Maurice in der
Komischen Oper und sah mir dort einen Akt lang die Rosenfee
an; im Stück kam ein Türke vor, dem man Ohrfeigen verabreichte.
Hamard war darüber erstaunt, daß ich in den Orient
reisen wollte, und fragte mich, warum ich nicht lieber in Paris
bliebe, um mir Molière anzuschauen oder André Chénier
zu studieren.
Am Mittwoch sind wir um 4 Uhr nach Nogent aufgebrochen.
Autoreninfo
Gustave Flaubert, 1821 in Rouen als Sohn eines Chirurgen geboren, besuchte zuerst die Schulen in seiner (durch "Madame Bovary" berühmt gewordenen) Vaterstadt, studierte eher lust- und erfolglos die Rechte in Paris und mußte sich dann aufgrund eines rätselhaften Nervenleidens aus jeder Berufstätigkeit zurückziehen. Er lebte in strenger schriftstellerischer Askese in Rouen, unternahm immer wieder Reisen in Europa, nach Nordafrika und dem Nahen Osten und starb 1880 im Alter von 59 Jahren. Flaubert war unerbittliche Präzision in der Kunst wichtiger als überhitzte Inspiration und das Suchen nach bisher unbeschriebenen Aspekten derWirklichkeit wesentlicher als romantische Gefühlsdarstellung. Diese strenge Forderung setzte er in "Madame Bovary" in revolutionärer Weise um - doch vorher hatte es in seinem Leben eine Epoche gegeben, die in ihrer anarchischen Heftigkeit ihresgleichen sucht.