Produktbeschreibung
Meisterhaft wird hier aufgezeigt, wie ein junger, schwacher Mensch zum Mörder wird und deshalb nach Jahren Selbstmord begeht. Droste-Hülshoff hat das finstere Ereignis, von dem sie in ihrer Kindheit berichten hörte, im Rahmen westfälischer Landschaft und Sitten in eine Dichtung verwandelt und ein Werk geschaffen, in dem verborgene Kräfte schicksalsbestimmend werden. Das Nachwort befasst sich mit Leben und Werk der Dichterin. Auf 4 Seiten werden Worterklärungen gegeben.
Leseprobe
DIE JUDENBUCHE
Ein Sittengemälde aus dem gebirgichten Wetsfalen
Wo ist die Hand so zart, daß ohne Irren
Sie sondern mag beschränkten Hirnes Wirren,
so fest, daß ohne Zittern sie den Stein
Mag schleudern auf ein arm verkümmert Sein?
Wer wagt es, eitlen Blutes Drang zu messen,
zu wägen jedes Wort, das unvergessen
In junge Brust die zähen Wurzeln trieb,
des Vorurteils geheimen Seelendieb?
Du Glücklicher, geboren und gehegt
im lichten Raum, von frommer Hand gepflegt,
leg hin die Waagschale, nimmer dir erlaubt!
Laß ruhen den Stein - er trifft dein eignes Haupt! -
Friedrich Mergel, geboren 1738, war der einzige Sohn eines sogenannten
Halbmeiers oder Grundeigentümers geringerer Klasse im Dorfe
B., das, so schlecht gebaut und rauchig es sein mag, doch das
Auge jedes Reisenden fesselt durch die überaus malerische
Schönheit seiner Lage in der grünen Waldschlucht eines
bedeutenden und geschichtlich merkwürdigen Gebirges. Das
Ländchen, dem es angehörte, war damals einer jener abgeschlossenen
Erdenwinkel ohne Fabriken und Handel, ohne Heerstraßen,
wo noch ein fremdes Gesicht Aufsehen erregte und eine Reise von
dreißig Meilen selbst den Vornehmeren zum Ulysses seiner
Gegend machte kurz, ein Fleck, wie es deren sonst so viele in
Deutschland gab, mit all den Mängeln und Tugenden, all der
Originalität und Beschränktheit, wie sie nur in solchen
Zuständen gedeihen. Unter höchst einfachen und häufig
unzulänglichen Gesetzen waren die Begriffe der Einwohner
von Recht und Unrecht einigermaßen in Verwirrung geraten,
oder vielmehr, es hatte sich neben dem gesetzlichen ein zweites
Recht gebildet, ein Recht der öffentlichen Meinung, der Gewohnheit
und der durch Vernachlässigung entstandenen Verjährung.
Autoreninfo
Annette von Droste-Hülshoff ist eine der großen Frauengestalten der deutschen Literatur. Abseits des literarischen Lebens und so auch der literarischen Modeströmungen ihrer Zeit schuf sie ein schmales Werk zwischen Biedermeier und poetischem Realismus. Die lyrische Produktion der Droste - Clemens Heselhaus hat ihre Gedichte "ein Tagebuch ihres inneren Lebens" genannt - reicht von Natur- und Landschaftsgedichten, Heidebildern, düsteren Balladen, geistlichen Gedichten und Bekenntnissen bis zu umfangreichen Versepen. In ihren Prosaskizzen und Beschreibungen hat sie ihrer Heimat unvergleichlich eindrucksvolle Denkmäler gesetzt. Mit der Judenbuche hat die Droste eine der bedeutendsten deutschen Novellen geschaffen.