Produktbeschreibung
Meir Shalev - Ein Russischer Roman
Ein Russischer Roman ist kein russischer Roman, sondern:
»...das farbenprächtige Epos über die Pioniere
der zweiten Alija, die Einwanderer aus Rußland und der Ukraine
zu Anfang des Jahrhunderts, die vom Sozialismus träumten
und die Sümpfe der Jesreel-Ebene trockenlegten. Es ist Shalevs
dramaturgische Intelligenz, seine stets wache Ironie, die aus
diesem Roman ein Meisterwerk machen, einen farbigen Chagallschen
Bilderbogen, der von einem klaren Kopf geträumt wird. Respekt
ja, Liebe ja, aber keine Sentimentalität, sondern aller kluger
Spott der Welt. Daß der Russische Roman in Deutschland
bisher kein Bestseller wurde, mag daran liegen, daß er jedes
Klischee unterläuft. Ein Buch, in dem man leben möchte,
weil es von Menschen bewohnt ist, die gleichzeitig heldenhaft
sind und lächerlich und nahe wie enge Verwandte.« Matthias
Matussek / Der Spiegel, Hamburg
»...eine wunderbare, witzige und sehnsüchtige Comedia
dell'arte der Gründerjahre von Erez Israel.« Peter
Mosler / Die Zeit, Hamburg
»Eine Familiensaga voller Unschuld und Poesie, jenseits von
Zeit und bitterer Politik.« Oggi, Mailand
»Ein Epos, das die Magie von Isaac Singer und Marc Chagall
atmet.« Corriere della Sera, Mailand
»Ein großes Lesevergnügen, das durch die vorzügliche
Übersetzung von Ruth Achlama noch gesteigert wird.«
Matthias Rüb / Frankfurter Allgemeine Zeitung
Kritik
¯Es steht ganz außer Zweifel, dass Shalev der größte lebende israelische Romancier ist. Er hätte längst den Nobelpreis verdient.® Hannes Stein / Die Welt Die Welt
Leseprobe
Eines Nachts im Sommer fuhr der altgediente Lehrer Jakob Pines
aus dem Schlaf hoch. »Ich fick Liebersons Enkelin!«
hatte jemand draußen gerufen.
Unverschämt, laut und klar stieg der Schrei zwischen den
Kronen der Kanarischen Kiefern am Wasserturm empor, schwebte einen
Augenblick raubvogelgleich auf der Stelle, ehe die Worte auf den
Erdboden des Dorfes niederschossen. Ein schmerzlich wohlbekannter
Schauder durchzuckte das Herz des alten Lehrers. Wieder einmal
hatte nur er den abscheulichen Schrei gehört.
Lange Jahre war er nun schon emsig bemüht, Ritzen zu verstopfen,
Risse zu flicken, beherzt in die Bresche zu springen. »Wie
dieser holländische Junge da, den Finger im Schleusenloch«,
pflegte er von sich zu sagen, sobald er wieder gegen eine neue
Gefahr anstürmte. Fruchtfliegen, Staatslotterie, Rinderzecken,
Anophelesmücken, Heuschreckenschwärme und Jazz bäumten
sich wie schwarze Wogen um ihn auf, zerstoben an seinem Brustkorb,
rannen in trüben Gischtfetzen an ihm herab.
Pines setzte sich im Bett auf und strich sich mit den Fingern
übers Brusthaar, voll Wut und Verwunderung, daß das
Dorfleben weiter seinen Gang ging, obwohl solche Unverschämtheit
ihre häßliche Fratze in aller Öffentlichkeit zeigte.
Der ganze Moschaw schlummerte, wie die Leute der Jesreelebene
sagen - Maultiere und Milchkühe in den Kuhställen, Legehennen
im Hühnerhaus, die Menschen des Geistes und der körperlichen
Arbeit in ihren bescheidenen Betten. Wie eine alte Maschine,
deren Teile sich schon aufeinander eingeschliffen haben, war das
Dorf nicht aus seiner nächtlichen Routine zu bringen.
Autoreninfo
Meir Shalev (1948-2023) wuchs im Moschaw Nahalal in der Jesreel-Ebene auf, studierte Psychologie und arbeitete viele Jahre als Journalist, Radio- und Fernsehmoderator, ehe er mit vierzig Jahren seinen ersten Roman veröffentlichte. Er wurde mit Büchern wie 'Judiths Liebe' oder 'Der Junge und die Taube' zu einem der bekanntesten und beliebtesten israelischen Romanciers und erhielt 2006 den Brenner Prize, die höchste literarische Auszeichnung in Israel.