Produktbeschreibung
Graf Öderland, das ist die Moritat von einem Staatsanwalt, der sich am Vorabend eines Mordprozesses entschließt, aus der fragwürdigen Mechanik, der Mechanik des gewohnten Lebens auszubrechen. Als Graf Öderland zieht er mit seiner Axt durchs Land, Revolutionär und Ankläger zugleich, der zum Schuldigen wird und doch im höheren Sinn Ankläger einer verrückten Welt bleibt.
Zusammenfassung
Die erste Prosa-Skizze zu dem Stück Graf Öderland
entstand 1946. Die erste Bühnenfassung wurde 1951 in
Zürich, die zweite 1956 in Frankfurt uraufgeführt. Der
hier vorliegende und zum erstenmal in einer Einzelausgabe veröffentlichte
Text entstand im Februar 1961 und ist als die endgültige
Fassung zu betrachten. Sie wurde 1961 am Schiller-Theater Berlin
erstaufgeführt.
Graf Öderland, das ist die Moritat von einem Staatsanwalt,
der sich am Vorabend eines Mordprozesses entschließt, aus
der fragwürdigen Mechanik, der Mechanik des gewohnten Lebens
auszubrechen. Als Graf Öderland zieht er mit seiner Axt durchs
Land, Revolutionär und Ankläger zugleich, der zum Schuldigen
wird und doch im höheren Sinn Ankläger einer verrückten
Welt bleibt.
»Graf Öderland geht die Welt an, er ist eine
Gestalt der Apokalypse.« Friedrich Dürrenmatt
Leseprobe
Der Staatsanwalt hat es satt
Arbeitszimmer in der Villa des Staatsanwalts. Nacht. Auf dem Schreibtisch
brennt eine Arbeitslampe. Der Staatsanwalt, ein Herr von fünfzig
Jahren, kräftig und groß, steht reglos, Hände
in den Hosentaschen, Blick gegen die Wand, die aus lauter Ordnern
besteht, aber er blickt nicht auf diese Ordner, sondern ist in
Gedanken verloren. Eine Turmuhr schlägt zwei. Später
hört man eine Frauenstimme.
STIMME
Martin? Martin! ... Der Staatsanwalt nimmt keinerlei Notiz
davon, bis die Stimme plötzlich aus nächster Nähe
tönt: er knipst das Licht aus, so daß die Suchende
in ein finsteres Zimmer tritt. Martin? Martin! ... Wo ist
er nur hingegangen - Sie schaltet die große Deckenlampe
an. - da bist du ja! Der Staatsanwalt steht wie zuvor,
die Gattin trägt einen Schlafmantel und ist schön, aber
verschlafen.
ELSA
Ich suche dich im ganzen Haus, wieso gibst du keine Antwort? Ich
dachte schon, du bist ausgegangen -
STAATSANWALT
Wohin?
ELSA
Was ist los?
STAATSANWALT
Ich habe mich nur angezogen.
ELSA
Mitten in der Nacht?
STAATSANWALT
Es scheint so.
ELSA
Wieso schIäfst du nicht?
STAATSANWALT
Wieso schläfst du nicht? Er nimmt sich eine Zigarre und
schneidet sie gelassen. Es tut mir leid, Elsa, ich habe dich
nicht wecken wollen. Was soll schon los sein? Ich habe mich angezogen,
um eine Zigarre zu rauchen, wie du siehst. Das ist alles.
Autoreninfo
Max Frisch wurde 1911 in Zürich geboren und starb 1991 ebenda. Er studierte Germanistik an der Universität Zürich (1930-1934) und Architektur an der ETH Zürich (1936-1940). Ab 1931 arbeitete er als Journalist, später als freier Schriftsteller. Seine zahlreichen Auslandsreisen führten ihn u.a. 1951/1952 für einen längeren Aufenthalt in die USA. Max Frisch hat ein großes literarisches Werk geschaffen, das mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde, unter anderem 1958 mit dem Georg-Büchner-Preis und 1976 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.