Produktbeschreibung
Lene, die Pflegetochter der alten Waschfrau Nimptsch, wird bei einer Kahnfahrt mit ihrem Bruder von zwei adligen Herren gerettet. Im Laufe des Sommers besucht einer der Herren, Baron Botho von Rienäcker, Lene immer wieder und es entsteht eine Liebesbeziehung. Da beiden klar ist, dass ihre Liebesbeziehung auf Grund der Standesunterschiede keine Zukunft hat, trennen sie sich, und während Botho eine reiche Kusine heiratet, heiratet Lene einen Laienprediger. Doch für beide bleibt ihre kurze Liebesbeziehung auch nach Jahren unvergessen. "Irrungen, Wirrungen" stieß bei seinem Erscheinen 1887 aufgrund der offenen Darstellung des unstandesgemäßen Liebesverhältnisses und der Freizügigkeit der außerehelichen Affäre auf starke Ablehnung. Obgleich Fontane die bestehende Ordnung explizit bestätigt, demontiert er sie implizit durch die Darstellung des Widerspruchs zwischen Konvention, Gefühl, Aufrichtigkeit und sozialen Anforderungen an den Einzelnen.
Leseprobe
Erstes Kapitel
An dem Schnittpunkte von Kurfürstendamm und Kurfürstenstraße, schräg gegenüber dem "Zoologischen", befand sich in der
Mitte der siebziger Jahre noch eine große, feldeinwärts sich erstreckende Gärtnerei, deren kleines, dreifenstriges, in einem Vorgärtchen um etwa hundert Schritte zurückgelegenes Wohnhaus,
trotz aller Kleinheit und Zurückgezogenheit, von der vorübergehenden Straße her sehr wohl erkannt werden konnte. Was aber
sonst noch zu dem Gesamtgewese der Gärtnerei gehörte, ja die
recht eigentliche Hauptsache derselben ausmachte, war durch
eben dies kleine Wohnhaus wie durch eine Kulisse versteckt, und
nur ein rot und grün gestrichenes Holztürmchen mit einem halb
weggebrochenen Zifferblatt unter der Turmspitze (von Uhr
selbst keine Rede) ließ vermuten, daß hinter dieser Kulisse noch
etwas anderes verborgen sein müsse, welche Vermutung denn
auch in einer von Zeit zu Zeit aufsteigenden, das Türmchen umschwärmenden Taubenschar und mehr noch in einem gelegentlichen Hundegeblaff ihre Bestätigung fand. Wo dieser Hund eigentlich steckte, das entzog sich freilich der Wahrnehmung,
trotzdem die hart an der linken Ecke gelegene, von früh bis spät
aufstehende Haustür einen Blick auf ein Stückchen Hofraum gestattete. Überhaupt schien sich nichts mit Absicht verbergen zu
wollen, und doch mußte jeder, der zu Beginn unserer Erzählung
des Weges kam, sich an dem Anblick des dreifenstrigen Häuschens und einiger im Vorgarten stehenden Obstbäume genügen
lassen.
Es war die Woche nach Pfingsten, die Zeit der langen Tage, deren
blendendes Licht mitunter kein Ende nehmen wollte. Heut aber
stand die Sonne schon hinter dem Wilmersdorfer Kirchturm, und
statt der Strahlen, die sie den ganzen Tag über herabgeschickt hatte, lagen bereits abendliche Schatten in dem Vorgarten, dessen
halbmärchenhafte Stille nur noch von der Stille des von der alten
Frau Nimptsch und ihrer Pflegetochter Lene mietweise bewohnten Häuschens übertroffen wurde. Frau Nimptsch selbst aber saß
wie gewöhnlich an dem großen, kaum fußhohen Herd ihres die
ganze Hausfront einnehmenden Vorderzimmers und sah, hockend und vorgebeugt, auf einen rußigen alten Teekessel, dessen
Deckel, trotzdem der Wrasen auch vorn aus der Tülle quoll, beständig hin- und herklapperte. Dabei hielt die Alte beide Hände
gegen die Glut und war so versunken in ihre Betrachtungen....
Autoreninfo
Theodor Fontane (1819 -1898) ist der bedeutendste Erzähler des literarischen Realismus. Der gelernte Apotheker machte mit 30 Jahren das Schreiben zum Beruf, zunächst als Journalist und Theaterkritiker. Erst spät begann er erfolgreich Romane und Erzählungen zu schreiben. Seine Romane und Novellen, die vielfach verfilmt wurden, zählen zu den meistgelesenen Klassikern des 19. Jahrhunderts.