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Ein Meisterwerk
- von Lothar W. Pawliczak aus 13407 Berlin, 23.12.2010 -
Wolfgang Wolters legt hier einen handlichen, für den interessieren Laien gut lesbaren Museumsführer vor. Um den zu schreiben bedarf es umfangreicher Kenntnisse, Talent und Geschick in der Formulierungskunst. Es bedarf auch hoher Selbstdisziplin, mitunter schmerzlicher Beschränkung, wenn man zur der Erkenntnis gelangt ist, "daß es an und in einem Bauwerk fast nichts gibt, was nicht Zuwendung verdiente." (Wolfgang Wolters: Architektur und Ornament. Venezianischer Bauschmuck in der Renaissance. München 2000 S. 265). Wolfgang Wolters hat seinen Rundgang sorgfältig in Hinblick auf den wißbegierigen Besucher des Dogenpalastes verfaßt und der Verlag hat vorzüglich dabei assistiert mit Abbildungen (Ärgern Sie sich nicht, daß die zu klein sind: Sie werden ja mit dieser Broschüre vor den Originalen stehen!), mit Grundrissen des Palastes insgesamt und einzelner Gebäudeteile und mit Schemata, die angeben, wo genau, an welcher Wand, an welcher Stelle die jeweiligen Kunstwerke zu sehen sind. Es gibt sogar Hinweise, wie, aus welcher Richtung bestimmte Kunstwerke am besten zu betrachten sind, was ja insbesondere bei Deckengemälden oft schwierig ist (z.B. Wolters: Der Dogenpalast S. 89; s. auch Wolfgang Schöne: Zur Bedeutung der Schrägsicht für die Deckenmalerei des Barock. In: Festschrift für Kurt Badt zum siebzigsten Geburtstag. Berlin 1961 S. 144-172).
Seine allgemeine Einleitung (S. 5-11) setzt ein mit dem Brand des Dogenpalastes am 20. Dezember 1577. Dieses Datum markiert gleichsam eine Wende hinsichtlich dessen, was wir heute sehen können, denn nach der Wiederherstellung wurden die Räume prächtig neu ausgestattet. Natürlich werden auch die davor liegenden Stationen der Baugeschichte umrissen (S. 8ff) und dann geht es, zunächst die Bildwerke an den Außenfassaden (S. 11-26) betrachtend, um das Gebäude erst herumschreitend und anschließend hinein, von Raum zu Raum. Vom Museo dell'Opera beim Eingang an der Wasserseite im Untergeschoß (S. 26-33) führt der Weg über den Innenhof (S. 33-49) in den Ostflügel (S. 49-130), wo sich die Dogenwohnung (S. 58-70) befindet, Rats- und Gerichtssäle (S. 70-125) und die Waffenkammern (S. 125-130). Dann folgen die berühmten Säle des Großen Rates (S. 130-162) und durch einst von Kanzleien, Magistraten und anderweitig genutzte Räume führt der Weg zurück zum Museumsshop und zum Ausgang, den heute die prächtige Porta della Carta bildet.
Wolfgang Wolters beschränkt sich nicht darauf, die Räume des Dogenpalastes, ihre einstige Funktion und die für diese Orte angefertigten Kunstwerke zu erläutern. Er geht auch auf Schwierigkeiten im Verständnis der Werke ein, erläutert an passenden Stellen weitergehende Zusammenhänge, Bezüge und Umfelder der Kunstwerke (Dogenamt S. 16-19; Löwenmäuler S. 53-55; Ende der Markusrepublik 1797 S. 57f; die Stadtgründung S. 80f). Auch auf wichtige andere Arbeiten der jeweiligen Künstler, Vergleichbares an anderen Orten wird erkenntnis- und genußvertiefend hingewiesen. Spätere Umnutzungen, Umbauten und Fehlhängungen, die das Verständnis der Werke erschweren, werden vermerkt. Auch das vermittelte Wissen, daß den Künstlern zwar Vorgaben gemacht wurden, sie aber diese meist recht frei auslegen konnten, daß auch ihre Zeitgenossen durchaus auch Schwierigkeiten im Verständnis ihrer Werke hatten (dazu insbes. "Die Bildthemen und zeitgenössische Erklärungen" S. 73-80 sowie S. 137-140), kann uns Heutige Erkenntnisgewinn und -lust bereiten.
Wolfgang Wolters ist in seiner Darstellung, die auch in der bemerkenswerten Tradition des Kampfes um die Erhaltung des historisch Überkommenen steht, mit eigener Meinung zurückhaltend und anklagende Verweise auf Verluste und Verfall sind bei ihm knapp gehalten, nie aufdringlich. Lesen Sie seinen Führer durch den Dogenpalast mindestens zwei mal. Zunächst, um sich auf den Besuch dort vorzubereiten, um auswählen zu können, welche Kunstwerke Sie besonders genießen wollen. Denn es ist unmöglich, die gesamte überwältigende Kunst bei einem Besuch zu erfassen. Und natürlich werden Sie den Palastführer in die Hand nehmen, wenn Sie damit - nunmehr sachkundig - die Räume durchschreiten. Und ich wünsche mir, daß Sie weitere Male zurückkommen, um den Genuß zu erweitern, zu vervielfältigen, zu vertiefen. Und lesen Sie den "Rundgang durch Kunst und Geschichte" mindestens noch ein drittes Mal, nachdem Sie in Venedig gewesen sind, um sich an die schönen Erlebnisse dort zu erinnern, um Anderen davon zu erzählen, um Sie zu einer Reise nach Venedig anzuregen - und selbstredend auch, um Anderen den Führer von Wolfgang Wolters zu empfehlen.
Gern möchte ich diese handliche Broschüre als die Krönung des Lebenswerks von Wolfgang Wolters bezeichnen. Damit wird er vielleicht nicht ganz einverstanden sein, denn als Mitglied des Teams, das die Schäden der Flut von 1966 in Venedig aufnahm, als erster Direktor des venezianischen Studienzentrums (1971-74), als Gebietsreferent Oberpfalz im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (1974-79), als Professor für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte an der Technischen Universität Berlin, als Mitglied des wissenschaftlichen Rates des internationalen Zentrums für Architekturstudien und Beirat der Hertziana in Rom (Max-Planck-Institut) und mit seinen Publikationen hat er sich so manch eine Krone verdient. Seine Bücher zur Renaissancekunst und -architektur stehen gewichtig in der wahrlich nicht kleinen Bibliothek der Veneziana: Wolfgang Wolters: Plastische Deckendekorationen des Cinquecento in Venedig und im Veneto (Berlin 1968, 1998); Wolfgang Wolters (Hg.): Die Skulpturen von San Marco in Venedig. Die figürlichen Skulpturen der Außenfassaden bis zum 14. Jahrhundert (München/Berlin 1979); Wolfgang Wolters: Der Bilderschmuck des Dogenpalastes. Untersuchungen zur Selbstdarstellung der Republik Venedig im 16. Jahrhundert (Wiesbaden 1983); Norbert Huse, Wolfgang Wolters: Venedig. Die Kunst der Renaissance. Architektur, Skulptur, Malerei 1460 - 1590 (München 1986, Darmstadt 1996); Wolfgang Wolters: Architektur und Ornament. Venezianischer Bauschmuck in der Renaissance (München 2000, 2005).
Dieser neue Führer durch den Dogenpalast kann einen würdigen Platz in der neben den Experten-Büchern stehenden, ebenso langen Reihe der für Venedig-Besucher verfaßten populären Reiseführer beanspruchen und hat daher wohl eine Krone der Kronen verdient.