Produktbeschreibung
Arkady Wolschok, ein Australier russischer Herkunft, führt den Erzähler
in die mysteriöse Welt der Aborigines ein. Der Kosmopolit mit Universitätsabschluss
hat Java, Indien, Afghanistan und große Teile Europas bereist. Nun versucht
er im trocken-heißen Nordterritorium Australiens beim Straßen- und Eisenbahnbau
oder bei Ölbohrungen zu verhindern, dass die heiligen Stätten der Aborigines
zerstört werden.
Zusammenfassung
Traumpfade, Songlines: das sind nach dem Glauben der australischen
Ureinwohner die labyrinthischen Linien und gedachten Wege, an
denen entlang die legendären Ahnen der Traumzeit über
den Kontinent wanderten und »singend alles benannten, was
ihre Wege kreuzte - Vögel, Tiere, Pflanzen, Felsen, Wasserlöcher
- und so die Welt ins Dasein sangen«. Bis zum heutigen Tag
dürfen die Traumpfade nicht überschritten werden. So
ist der Konflikt zwischen zwei Welten und zwei Kulturen unausweichlich,
wenn beispielsweise eine Erdölfirma oder eine Eisenbahngesellschaft
ihre Landvermesser ausschickt, denn wer könnte dem Vermesser
klarmachen, daß »ein rötlicher Sandsteinbrocken
die Leber eines mit dem Speer erlegten Känguruhs« ist?
Deshalb hat es sich Arkady, Sohn eines vor den Nazis nach Australien
ausgewanderten Kosaken, zur Aufgabe gemacht, Karten über
die heiligen Stätten der Aborigines anzulegen, um allzu große
Verletzungen der Traumpfade durch die Streckenführung der
Eisenbahn zu verhindern.
An Arkadys Seite geht Chatwin den Fußspuren der Ahnen
nach in seinem Reisebuch, das Abenteuergeschichte, Ideenroman,
Satire auf den Fortschrittswahn, geistige Autobiographie und romantische
Komödie zugleich ist. Auf ihren Streifzügen zu - Fuß
und im Jeep begegnen sie einer Reihe hochinteressanter Menschen,
kauzigen Typen, Idealisten, Eigenbrötlern, Philosophen von
schwarzer und weißer Hautfarbe - Heiligen und weniger Heiligen.
»Traumpfade ist ein phantastischer Irrgarten voller
Anekdoten, Spekulationen und Beschreibungen, faszinierend und
anrührend, Chatwin ein Schriftsteller, den nicht zu lesen
keiner, der sich für Literatur interessiert, sich leisten
kann.«
New York Times Book Review
Leseprobe
In Alice Springs, einem Netz verbrannter Wege, wo Männer
in langen weißen Socken unaufhörlich in Landcruiser
einstiegen oder aus Landcruisern ausstiegen, begegnete ich einem
Russen, der damit beschäftigt war, eine Karte von den heiligen
Stätten der Aborigines anzulegen.
Sein Name war Arkady Wolschok. Er war australischer Staatsbürger.
Er war dreiunddreißig Jahre alt.
Sein Vater, Iwan Wolschok, ein Kosake aus einem Dorf in der Nähe
von Rostow am Don, war 1949 geschnappt und zusammen mit einer
Zugladung weiterer »Ostarbeiter« zum Dienst in eine
deutsche Fabrik geschickt worden. Eines Nachts, irgendwo in der
Ukraine, sprang er aus dem Viehwaggon in ein Sonnenblumenfeld.
Soldaten in grauen Uniformen jagten ihn die langen Reihen von
Sonnenblumen auf und ab, aber er entkam ihnen. Irgendwo anders,
verirrt zwischen modernen Armeen, traf er ein Mädchen aus
Kiew und heiratete sie. Gemeinsam verschlug es sie in einen verschlafenen
Vorort von Adelaide, wo er eine Wodkabrennerei aufzog und drei
kräftige Söhne zeugte.
Der jüngste von ihnen war Arkady.
Arkady war von seinem Temperament her keineswegs für ein
Leben in der Abgeschiedenheit eines angelsächsischen Vororts
oder für einen konventionellen Beruf bestimmt. Er hatte
ein flaches Gesicht und ein sanftes Lächeln, und er durchquerte
die hellen Weiten Australiens mit der Unbeschwertheit seiner rastlosen
Vorfahren.
Er hatte dichtes, glattes Haar von strohblonder Farbe. Seine
Lippen waren in der Hitze aufgesprungen. Er hatte nicht den verkniffenen
Mund so vieler weißer Australier aus dem Busch; auch verschluckte
er seine Wörter nicht.
Autoreninfo
Bruce Chatwin, 1940 in Sheffield geboren, arbeitete als Journalist bei der "Sunday Times", dann als Leiter der Abteilung für Impressionismus bei Sotheby's. Ausgedehnte Reisen seit 1962 führten ihn nach Afghanistan, in die Sowjetunion, nach Osteuropa, Westafrika, Lateinamerika, Australien. Neben Reisebüchern, hat Chatwin Romane und Essays geschrieben. Bruce Chatwin starb 1989 in Nizza.