Produktbeschreibung
Dieses Buch handelt vom Zauber und von den Abgründen der Kindheit, vom schmerzhaften Prozeß des Wachstums, der unausweichlichen Loslösung von den anderen. Es ist das Protokoll einer Selbstbefreiung.
Zusammenfassung
Dieses Buch handelt vom Zauber und von den Abgründen der
Kindheit, vom schmerzhaften Prozeß des Wachstums, der unausweichlichen
Loslösung von den anderen. Es ist das Protokoll einer Selbstbefreiung.
"Hier wurde, der Vergleich sei erlaubt, das Leben derart
in Sprache verwandelt, daß wir rückblickend durch die
Sprache das Leben wieder zu begreifen vermögen." Süddeutsche
Zeitung
Leseprobe
Ich habe oft versucht, mich mit der Gestalt meiner Mutter und
der Gestalt meines Vaters auseinanderzusetzen, peilend zwischen
Aufruhr und Unterwerfung. Nie habe ich das Wesen dieser beiden
Portalfiguren meines Lebens fassen und deuten können. Bei
ihrem fast gleichzeitigen Tod sah ich, wie tief entfremdet ich
ihnen war. Die Trauer, die mich überkam, galt nicht ihnen,
denn sie kannte ich kaum, die Trauer galt dem Versäumten,
das meine Kindheit und Jugend mit gähnender Leere umgeben
hatte. Die Trauer galt der Erkenntnis eines gänzlich mißglückten
Versuchs von Zusammenleben, in dem die Mitglieder einer Familie
ein paar Jahrzehnte lang beieinander ausgeharrt hatten. Die Trauer
galt dem Zuspät, das uns Geschwister am Grab überlagerte
und das uns dann wieder auseinandertrieb, ein jedes in sein eigenes
Dasein. Nach dem Tod meiner Mutter versuchte mein Vater, dessen
ganzes Leben unter dem Zeichen unermüdlicher Arbeit gestanden
hatte, noch einmal den Anschein eines Neubeginnens zu wecken.
Er begab sich auf eine Reise nach Belgien, um dort, wie er sagte,
Geschäftsbeziehungen anzuknüpfen, im Grunde aber, um
wie ein verwundetes Tier im Versteck zu sterben. Er reiste als
Gebrochener, konnte sich nur mit Hilfe zweier Stöcke mühsam
bewegen. Als ich, nach der Mitteilung von seinem Tod in Gent,
auf dem Brüsseler Flugplatz gelandet war, durchlebte ich
beklommen den langen Weg, den mein Vater, mit seinen von Blutstockungen
erschlafften Beinen, treppauf, treppab, durch Hallen und Korridore,
hatte zurücklegen müssen. ...
Autoreninfo
Peter Weiss, geboren 1916 bei Berlin, übersiedelte 1940 nach Schweden. Er arbeitete als Maler, Filmemacher und Schriftsteller und schrieb bis Ende der fünfziger Jahre in Schwedisch. Er starb 1982 in Stockholm. Posthum erhielt er noch im gleichen Jahr den Georg-Büchner-Preis.