Produktbeschreibung
Europa im ausgehenden 18. Jahrhundert, eine Zeit der revolutionären Umbrüche, der neuen Orientierungen und der restaurativen Tendenzen - diese dramatische Epoche bildet den historischen Hintergrund für Susan Sontags »ambitionierten erzählerischen Versuch, eine der bekanntesten und wahrschein-lich aufs genaueste dokumentierten Dreiecksbeziehungen der Weltgeschichte« (Johannes Willms) darzustellen: die zwischen Sir William Hamilton, dem britischen Gesandten in Neapel, seiner um 51 Jahre jüngeren Frau Emma und Lord Nelson, dem Seehelden Englands. Sir William Hamilton - Altertumsforscher, leidenschaftlicher Sammler und Diplomat - ist der »Vulcano Lover«, der bei den Ausgrabungen von Herculaneum und Pompeji zugegen war und oftmals den Vesuv bestieg. Fasziniert von der unberechenbaren Naturgewalt des Vulkans und gleichermaßen gefesselt von der Kunst der schönen Dinge, die er sammelt, verkörpert Sir Hamilton in idealer Weise den für seine Zeit typischen, durch Besitz und Bildung ausgezeichneten, interessierten Dilettanten. Den Gipfel aller Natur- und Kunstfreude aber glaubt er in der wegen ihrer außerordentlichen Schönheit gerühmten Emma gefunden zu haben, die wiederum dem Held der Seeschlacht am Nil ihre Gunst schenkt. Um dieses Dreigestirn bewegen sich die anderen Personen des Romans: der fette und politisch inkompetente König von Neapel und seine Königin Maria Karolina, eine enge Freundin Emmas, der dekadente Dandy William Beckford, die adelige Revolutionärin und Dichterin Eleonora Fonseca de Pimentel und als Zaungast - Goethe auf seiner italienischen Reise. Beherrscht aber wird die Szenerie vom Vesuv, der sich über der Stadt erhebt und ihrem lebensgierigen, leichtsinnigen Treiben eine bedrohliche Atmosphäre verleiht. Susan Sontag hat am Fuß des feuerspeienden Vesuvs Menschen zusammengeführt, die das Drama des Umbruchs in Europa exemplarisch aufführen.
Leseprobe
Sein erster Heimaturlaub war vorüber. Der Mann, der in der
neapolitanischen Gesellschaft von nun an als II Cavaliere, der
Ritter, bekannt sein würde, trat gerade seine Rückreise
zu seinem Posten an, in das »Königreich der Asche«.
So hatte es einer seiner Londoner Freunde genannt.
Als er angekommen war, hatte er, so meinten seine Freunde, sehr
viel älter ausgesehen. Er war immer noch genauso schlank:
Ein von Makkaroni und Zitronentorten aufgeschwemmter Körper
hätte zu einem solch schmalen, schlauen Gesicht mit der Adlernase
und den buschigen Augenbrauen nur schwerlich gepaßt. Doch
er hatte die Blässe seiner Klasse eingebüßt. Die
Tatsache, daß seine weiße Haut seit seiner Abreise
vor sieben Jahren braun geworden war, wurde fast mit Mißbilligung
zur Kenntnis genommen. Nur die Armen - also die Masse der Menschen
- waren sonnengebräunt. Nicht aber der Enkel eines Herzogs,
der jüngste Sohn eines Lords, der Jugendfreund des Königs
selbst.
Autoreninfo
Susan Sontag, 1933 in New York geboren, ist Schriftstellerin, Filmemacherin und Theaterregisseurin. Sie erhielt unter anderen den Jerusalem Prize, den National Book Award, den Prinz-von-Asturien-Preis und 2003 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Sie starb 2004 in New York.