Produktbeschreibung
Der Band Gesammelte Gedichte enthält alle Gedichtbände von Thomas Bernhard sowie die von ihm selbst in Zeitschriften und Anthologien publizierten Gedichtgruppen.
Zusammenfassung
Die erste Veröffentlichung des Dichters Thomas Bernhard war
ein Gedicht: Es erschien am 22. April 1952 im Münchner
Merkur und trug den Titel Mein Weltenstück. Die
erste Buchpublikation Bernhards war ein Gedichtband: Auf der
Erde und in der Hölle. Ein Jahr später, 1958, erschienen
gleich zwei Gedichtbände von ihm: In hora mortis und
Unter dem Eisen des Mondes. Auch in den Jahren darauf
verstand sich Thomas Bernhard vor allem als Lyriker.
Mit der Veröffentlichung seines ersten Romans Frost im
Jahre 1963 und der Uraufführung seines ersten Stückes
Ein Fest für Boris 1970 schien sich der Autor von
der lyrischen Gattung abgewendet zu haben. Doch er arbeitete
an seinen Gedichten und ließ in den Achtziger Jahren früher
geschriebene erscheinen. Dies macht deutlich, daß mir den
weltberühmten Prosaisten und Dramatiker seine Gedichte eine
andere Art waren, sich in der den Autor kennzeichnenden Intensität
und sprachlich-bildnerischen Kraft mit seinem Thema auseinanderzusetzen.
Das erkannte auch die Kritik: »Da Thomas Bernhard eigentlich
erst mit seinen Romanen und kurzen Prosastücken bekannt wurde,
hat man den Lyriker Bernhard bereits vergessen. Das ist töricht,
denn die verstrüppte Finsternis der Prosa von Thomas Bernhard
läßt sich erst durchdringen, wenn man ihre Herkunft
kennt, den großen lyrischen Aufbruch.«
Der Band Gesammelte Gedichte enthält alle Gedichtbände
von Thomas Bernhard sowie die von ihm selbst in Zeitschriften
und Anthologien publizierten Gedichtgruppen.
Leseprobe
Der Tag der Gesichter
Morgen ist der Tag der Gesichter. Sie werden
sich erheben wie Staub
und in Gelächter ausbrechen.
Morgen ist der Tag der Gesichter, die in
die Kartoffelerde gefallen sind. Ich kann
nicht leugnen, daß ich
an diesem Sterben der Triebe schuldig bin.
Ich bin schuldig!
Morgen ist der Tag der Gesichter, die meine Qual
auf der Stirn tragen,
die mein Tagwerk besitzen.
Morgen ist der Tag der Gesichter, die wie Fleisch
auf der Kirchhofsmauer tanzen
und mir die Hölle zeigen.
Warum muß ich die Hölle sehen? Gibt es keinen
anderen Weg
zu Gott?
Autoreninfo
Thomas Bernhard (1931-1989) war einer der bekanntesten österreichischen Erzähler des zwanzigsten Jahrhunderts. Er wuchs in Wien und in Seekirchen am Wallersee auf, wurde für kurze Zeit in ein Heim für schwer Erziehbare geschickt, brach seine Schulausbildung ab und wurde Kaufmannsgehilfe. Von 1947 bis 1948 arbeitete er als Lehrling. Dabei zog er sich eine Lungenentzündung zu, die sich zur Tuberkulose ausweitete. Er verbrachte die nächsten beiden Jahre in verschiedenen Krankenhäusern. Nach seiner Genesung wurde er Gerichtsreporter. Er studierte Gesang und veröffentlichte erste Texte. Der Durchbruch als Romanautor gelang ihm 1963 mit "Frost", weitere Romane folgten. Auch als Dramenautor machte sich Bernhard einen Namen. Ab 1965 lebte er in Wien und auf einem oberösterreichischen Gutshof. 1984 kam es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung wegen seines Romans "Holzfällen".
1970 wurde Thomas Bernhard mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.