Produktbeschreibung
In Tunis und im Wilden Westen spielt der erste Teil dieses dreibändigen Romans. Er schildert die Schicksale einer deutschen Familie, deren Mitglieder durch die Ränke von Verbrechern in die ganze Welt zerstreut wurden. Auch hier ist wieder der spleenige Sir David Lindsay mit von der Partie. Die vorliegende Erzählung spielt in der ersten Hälfte der 70er-Jahre des 19. Jahrhunderts. Bearbeitung aus dem 1885/1886 geschriebenen Kolportageromans "Deutsche Herzen - Deutsche Helden". Fortsetzungen zu "Der Derwisch": "Im Tal des Todes" (Band 62) und "Zobeljäger und Kosak" (Band 63). Der Titel ist auch als ebook erhältlich!
Leseprobe
1. SIR DAVID LINDSAY
Ein schöner warmer Sommertag lag auf den schlanken Minarehs
von Konstantinopel. Tausende von Anhängern aller Bekenntnisse
und Angehörigen aller Rassen erfreuten sich beim Gang, über
die beiden Brücken des zauberischen Anblicks, den die Stadt
von außen bietet. An den Hafendämmen lagen die Dampfer
und Segler aller seefahrenden Völker, und auf den glitzernden
Wogen wiegten sich die seltsam gebauten türkischen Gondeln
und Kähne, zwischen denen bisweilen schlankgeflügelte
Seemöwen übers Wasser hinschossen, als wollten sie in
spielerischem Übermut ihre Fluggeschicklichkeit erproben
und beweisen.
Vom Schwarzen Meer her kam in flotter Fahrt eine kleine, allerliebste
Dampfjacht, leicht und anmutig zur Seite geneigt, wie eine Tänzerin,
die sich den berauschenden Tönen eines Straußschen
Walzers hingibt.
Das schmucke, schnelle Fahrzeug bog um die Spitze von Galata,
ging unter den Brücken hindurch und legte sich im Goldenen
Horn, unterhalb Peras vor Anker. Petra ist der Stadtteil von
Konstantinopel, der vorzugsweise von Europäern, ihren Gesandten
und Konsuln belohnt wird.
Die Dampfjacht hatte eine Eigentümlichkeit, die auch in
europäischen Häfen die Augen auf sich ziehen mußte,
hier aber, unter Orientalen, noch viel auffälliger wirkte:
am Vordersteven, wo der Name des Schiffs angebracht zu sein pflegt,
befand sich ein wohl zwei Meter hoher holzgeschnitzter Rahmen,
der ein merkwürdiges Gemälde einfaßte.
Das Bild stellte einen Mann in Lebensgröße dar. Alles,
was er trug Hose, Weste, Rock, Schuhe, auch der hohe Zylinderhut
- war grau gewürfelt, sogar der riesige Regenschirm, den
er in der Hand hielt.
Autoreninfo
Karl May (1842-1912) war das fünfte von 14 Kindern einer armen Weberfamilie aus Ernstthal/Sachsen. Vom Studium am Lehrerseminar wurde er zunächst ausgeschlossen, nachdem er Kerzenreste unterschlagen hatte. Später konnte er die Ausbildung fortsetzen, arbeitete nur 14 Tage in seinem Beruf, bevor er wieder des Diebstahls bezichtigt und von der Liste der Kandidaten gestrichen wurde. Wegen Diebstahls, Betrugs und Hochstapelei wurde er in den Jahren darauf immer wieder verhaftet und monatelang festgesetzt. Die Jahre zwischen 1870 und 1874 verbrachte er im Zuchthaus Waldheim. Erst viele Jahre nach dem Erscheinen des akribisch recherchierten Orientzyklus reiste Karl May tatsächlich in den Orient. Karl May war lange Zeit einer der meistgelesenen deutschen Schriftsteller. Er starb1912 in Radebeul.