Produktbeschreibung
Neben dem bekannten zeitkritischen Aufruf »Zarathustras« Wiederkehr, den Hesse im Februar 1919 als Antwort auf die Spartakistenaufstände der Novemberrevolution von 1918 anonym als »Wort an die deutsche Jugend von einem Deutschen« in Form einer brochierten Flugschrift veröffentlichte, enthält dieser Band noch weitere teils in Zeitungen und Zeitschriften, teils als Rundschreiben verbreitete Stellungnahmen des Dichters zu den politischen Polarisierungen in Deutschland und Europa von 1918 bis nach dem Zweiten Weltkrieg. In einer Sammelreplik auf die »Haßbriefe« (1921), die Hesse aus dem deutschnationalen Lager erhielt, zeigt er die kulturpolitischen Wurzeln des Nationalismus als Wegbereiter zum Faschismus und Nationalsozialismus. Mit den Rundbriefen »An einen Kommunisten« (1931) setzt er sich mit dem Pro und Contra der ideologischen Alternative auseinander, mit den politischen Gruppierungen, die aus dem Marxismus hervorgegangen sind. (Die zweite Version seines »Briefes an einen Kommunisten«, die erst 1989 entdeckt wurde, wird hier erstmals veröffentlicht.)
In seinem Nachwort umreißt der Herausgeber Hesses autonome Position zwischen den ideologischen Fronten, die sowohl von rechten als auch von linken »Realpolitikern« als idealistische Humanitätsduselei verworfen wurde und Hesse den Ruf eingebracht hat ein »linker Romantiker« zu sein.
Leseprobe
Zarathustras Wiederkehr
Ein Wort an die deutsche Jugend von einem Deutschen
Es gab einmal einen deutschen Geist, einen deutschen Mut, eine
deutsche Mannhaftigkeit, welche sich nicht nur in Herdenlärm
und Massenbegeisterung äußerte. Der letzte große
Geist dieser Art ist Nietzsche gewesen, und er ist, inmitten des
damaligen Gründertums und der damaligen Herdengesinnung in
Deutschland, zum Anti-Patrioten und Anti-Deutschen geworden. An
ihn will mein Ruf erinnern, an seinen Mut, an seine Einsamkeit.
Statt des Herdengeschreis, dessen weinerliche jetzige Note um
nichts lieblicher ist, als während der »großen
Zeit« seine großmäulige und brutale es war, will
dieser Ruf die Geistigen unter der deutschen Jugend an einige
einfache, unerschütterte Tatsachen und Erfahrungen der Seele
erinnern. Möge jeder sich zum Volk und der Allgemeinheit
verhalten, wie Bedürfnis und Gewissen es ihm eingibt - wenn
er darüber sich selbst, seine eigene Seele versäumt,
so wird es wertlos sein. Erst wenige im verarmten und besiegten
Deutschland haben begonnen, das Weinen und Schimpfen als unfruchtbar
zu erkennen und sich tüchtig und mannhaft zu machen für
das, was kommen soll. Erst wenige haben eine Ahnung von dem Verfall
des deutschen Geistes, in dem wir lang vor dem Kriege schon lebten.
Wir müssen nicht hinten beginnen, bei den Regierungsformen
und politischen Methoden, sondern wir müssen vorn anfangen,
beim Bau der Persönlichkeit, wenn wir wieder Geister und
Männer haben wollen, die uns Zukunft verbürgen. Davon
spricht meine kleine Schrift.
Autoreninfo
Hermann Hesse, am 2. Juli 1877 in Calw/Württemberg als Sohn eines baltendeutschen Missionars und der Tochter eines württembergischen Indologen geboren, starb am 9. August 1962 in Montagnola bei Lugano. Er wurde 1946 mit dem Nobelpreis für Literatur, 1955 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Nach einer Buchhändlerlehre war er seit 1904 freier Schriftsteller, zunächst in Gaienhofen am Bodensee, später im Tessin. Er ist einer der bekanntesten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts.