Produktbeschreibung
Andrzei Szczypiorski
Die schöne Frau Seidenman
»Gelassen, aller pessimistischen Geschichtsbetrachtung zum
Trotz, blickt Szczypiorski über die Jahrzehnte zurück
auf die finsteren Zeiten, die er selbst einst durchlebt hat, in
den Flammen des Warschauer Aufstands und danach im KZ Sachsenhausen.
Mit herber Ironie erzählt er von Gerechten wie Schurken,
von guten Patrioten und Henkersknechten, Todgeweihten und noch
einmal Davongekommenen, deren Geschicke sich verknüpfen zu
dramatisch gerafftem Romangeschehen.«
Der Spiegel, Hamburg
»Jedes Porträt für sich ist ein Meisterstück,
und die Komposition des ganzen Romans ist es erst recht: ein Erinnerungsbuch
als weiterwirkendes Stück Weltliteratur, damit diese Welt
vielleicht ein bißchen besser würde. Diese Utopie hat
die Kraft des Trostes.«
Salzburger Nachrichten
»Das macht Szczypiorskis Roman so überzeugend: daß
er zwar Systeme verurteilt und Ideologien an den Pranger stellt,
aber nie über Menschen den Stab bricht, auch über den
erbärmlichsten nicht.«
Die Weltwoche, Zürich
»Ein leises und poetisches Buch, das ausspricht, was beim
Namen genannt zu werden verdient damit wir nicht vergessen, was
niemand mehr hören und sehen und wissen mag.«
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Leseprobe
Im Zimmer herrschte Halbdunkel, denn der Richter mochte das Halbdunkel.
Seine gewöhnlich unfertigen und nebulösen Gedanken gerieten
ungern in die Falle des Lichts. Alles auf Erden ist dunkel und
unklar, und der Richter liebte es, die Welt zu ergründen.
Deshalb saß er meistens in der Ecke des riesengroßen
Salons in einem Schaukelstuhl, den Kopf zurückgelehnt, und
seine Gedanken wiegten sich sanft im Rhythmus des Sessels; er
setzte ihn durch leichtes Berühren des Fußbodens mit
den Füßen, abwechselnd mit dem linken und dann wieder
mit dem rechten, in Bewegung. An seinen Füßen trug
der Richter knöchelhohe, von einer Metallspange gehaltene
Filzpantoffeln. Die Spange blinkte bläulich über dem
Teppich, sobald das Licht der vom Schirm abgedunkelten Lampe darauf
fiel.
Der Schneider Kujawski betrachtete die Spangen an den Filzpantoffeln
des Richters und berechnete im Geiste den Verlust, der ihm entstehen
würde, falls er dem Richter das Bild im Goldrahmen, das an
der Wand hing, abkaufte. Es stellte einen nackten Mann mit Hörnern
dar, der auf einem Weinfaß saß. Der Schneider Kujawski
glaubte, das sei der Teufel, einer jener fröhlichen, dem
Trunk und den Späßen mit Frauen zugeneigten Teufel,
die früher gern von Malern gemalt wurden, häufig vor
einem recht dunklen und kaum erkennbaren Hintergrund.
Autoreninfo
Andrzej Szczypiorski, geboren 1928 in Warschau, nach der Teilnahme am Aufstand dieser Stadt 1944 im KZ, 1981 interniert, Mitglied des Vorstandes des polnischen PEN-Clubs. Der Autor verstarb 2000 in Warschau.