Produktbeschreibung
Diese thematische Auswahl enthält die bekanntesten Liebesgeschichten aus Hesses Erzählungen, Märchen und Legenden. Die meisten von ihnen - geschrieben in den Jahren 1900 bis 1924 - sind autobiographisch fundierte Erinnerungen aus der Jugend des Erzählers. Mit großem Einfühlungsvermögen werden hier neben den psychischen Kraftproben und Umwegen auch der Rausch erster Annäherungen an das andere Geschlecht und die Abenteuer intensiver Selbsterfahrung im Spannungsfeld zwischen idealer und sinnlicher Liebe geschildert.
Zusammenfassung
Diese thematische Auswahl enthält die bekanntesten Liebesgeschichten
aus Hesses Erzählungen, Märchen und Legenden. Die meisten
von ihnen - geschrieben in den Jahren 1900 bis 1924 - sind autobiographisch
fundierte Erinnerungen aus der Jugend des Erzählers. Mit
großem Einfühlungsvermögen werden hier neben den
psychischen Kraftproben und Umwegen auch der Rausch erster Annäherungen
an das andere Geschlecht und die Abenteuer intensiver Selbsterfahrung
im Spannungsfeld zwischen idealer und sinnlicher Liebe geschildert.
Der Band ist chronologisch angelegt, so daß er zugleich
auch die Entwicklung der partnerschaftlichen Anziehungskraft auf
den verschiedenen Altersstufen erkennbar macht. Sie reicht von
der idealisierenden Faszination in der Pubertät über
die krisenanfällige Symbiose in der Ehe bis hin zu den altruistischen,
nicht mehr auf einen Partner fixierten Formen selbstloser Nächstenliebe.
Der Schritt vom Ich zum Du, Liebe als Ansporn zur Weiterentwicklung
ist eines der zeitlos aktuellen Leitmotive dieser Erzählungen.
»Die Dichter unserer Tage bieten viel Talent auf, die
Entzauberung der Welt zu beschleunigen, und halten sich viel darauf
zugute. Auch in den Dingen des Eros bemüht man sich mit
Fleiß, die Dinge beim Namen zu nennen. Man spricht alles
aus und sagt doch wenig oder nichts dabei und nichts, was wir
nicht wüßten. Ein penetranter Sexualismus bietet den
Schlüssel zur Sinnenwelt an. Wenn Hesse von Frauen, vom
Eros berichtet, beginnt es zu duften und zu sprühen. Da
streiten noch (wie Valéry sagte) Sein und Nichtsein miteinander,
und der Rang, den die Geliebte einnimmt, zeichnet den Liebenden
aus. Geschwisterlichkeit waltet zwischen den Geschlechtern: alle
würfeln ums Paradies mit der Aussicht, es für Minuten
zurückzugewinnen.«
Rüdolf Hagelstange
Inhaltsverzeichnis
Der Kavalier auf dem Eise. Von den zwei Küssen. Der Lateinschüler. Hans Amstein. Heumond. Das erste Abenteuer. Die Marmorsäge. Brief eines Jünglings. Liebe. Schattenspiel. Casanovas Bekehrung. Liebesopfer. Chagrin d'amour. An jenem Sommerabend. Schön ist die Jugend. Die Verlobung. Hans Dierlamms Lehrzeit. Taedium vitae. Der schöne Traum. Die Nichtraucherin. Die Braut. Der Zyklon. Piktors Verwandlungen. Was der Dichter am Abend sah.
Leseprobe
Der Kavalier auf dem Eise
Es war ein langer, strenger Winter, und unser schöner Schwarzwaldfluß
lag wochenlang hart gefroren. Ich kann das merkwürdige,
gruselig-entzückte Gefühl nicht vergessen, mit dem ich
am ersten bitterkalten Morgen den Fluß betrat, denn er war
tief und das Eis war so klar, daß man wie durch eine dünne
Glasscheibe unter sich das grüne Wasser, den Sandboden mit
Steinen, die phantastisch verschlungenen Wasserpflanzen und zuweilen
den dunklen Rücken eines Fisches sah.
Halbe Tage trieb ich mich mit meinen Kameraden auf dem Eise herum,
mit heißen Wangen und blauen Händen, das Herz voll
der starken, rhythmischen Bewegung des Schlittschuhlaufs energisch
geschwellt, voll von der wunderbaren gedankenlosen Genußkraft
der Knabenzeit. Wir übten Wettlauf, Weitsprung, Hochsprung,
Fliehen und Haschen, und diejenigen von uns, die noch die altmodischen
beinernen Schlittschuhe mit Bindfaden an den Stiefeln befestigt
trugen, waren nicht die schlechtesten Läufer. Aber einer,
ein Fabrikantensohn, besaß ein Paar "Halifax",
die waren ohne Schnur oder Riemen befestigt und man konnte sie
in zwei Augenblicken anziehen und ablegen. Das Wort Halifax stand
von da an jahrelang auf meinem Weihnachtswunschzettel, jedoch
erfolglos; und als ich zwölf Jahre später einmal ein
Paar recht feine und gute Schlittschuhe kaufen wollte und im Laden
Halifax verlangte, da ging mir zu meinem Schmerz ein Ideal und
ein Stück Kinderglauben verloren, als man mir lächelnd
versicherte, Halifax sei ein veraltetes System und längst
nicht mehr das Beste. Am liebsten lief ich allein, oft bis zum
Einbruch der Nacht. Ich sauste dahin, lernte im raschesten Schnellauf
an jedem beliebigen Punkte halten oder wenden, schwebte mit Fliegergenuß
balancierend in schönen Bogen. Viele von meinen Kameraden
benutzten die Zeit auf dem Else, um den Mädchen nachzulaufen
und zu hofieren. Für mich waren die Mädchen nicht vorhanden.
Während andere ihnen Ritterdienste leisteten, sie sehnsüchtig
und schüchtern umkreisten oder sie kühn und flott in
Paaren führten, genoß ich allein die freie Lust des
Gleitens.
Autoreninfo
Hermann Hesse, am 2. Juli 1877 in Calw/Württemberg als Sohn eines baltendeutschen Missionars und der Tochter eines württembergischen Indologen geboren, starb am 9. August 1962 in Montagnola bei Lugano. Er wurde 1946 mit dem Nobelpreis für Literatur, 1955 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Nach einer Buchhändlerlehre war er seit 1904 freier Schriftsteller, zunächst in Gaienhofen am Bodensee, später im Tessin. Er ist einer der bekanntesten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts.